Memoiren eines Davongekommenen
Léon Poliakov (1910–1997) musste als Kind mit seinen Eltern vor der Oktoberrevolution fliehen und gelangte über Berlin nach Paris, wo sein Vater das Pariser Tageblatt ins Leben rief und zum populären Sprachrohr von Schriftstellern wie Heinrich Mann und Oskar Maria Graf machte. 1940 geriet Léon Poliakov in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Flucht schloss er sich der Résistance an und beteiligte sich an der Rettung von Juden. Noch während der Befreiung Frankreichs begann Poliakov mit der Sammlung von Täterdokumenten und war Mitglied der französischen Delegation bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Schon 1951 entstand auf Anregung von Alexandre Kojève und Raymond Aron seine Studie »Le Bréviaire de la haine«, der erste systematische Versuch, den
Massenmord an den Juden zu dokumentieren. Ab Mitte der fünfziger Jahre veröffentlichte Léon Poliakov drei kommentierte Quellensammlungen zusammen mit Joseph Wulf (1912–1974). Beide betonten im Gegensatz zu vielen deutschen Historikern schon sehr früh die zentrale Rolle des eliminatorischen Antisemitismus. Doch die um die Deutungshoheit der Shoa ringenden deutschen Geschichtswissenschaftler haben den Résistance-Aktivisten und Autodidakten Poliakov im akademischen Betrieb bis heute weitgehend ignoriert. Seine Memoiren liegen nun erstmals in deutscher Übersetzung vor.
Über die Vortragenden:
Alexander Carstiuc, Historiker (M.A.) und Diplom-Sozialpädagoge (FH), arbeitet zu den Themenbereichen frühe Shoaforschung, Antisemitismus, Antiziganismus und Nationalsozialismus. Mitübersetzer der
Memoiren Léon Poliakovs.
Janina Reichmann hat Soziologie, Politik, Philosophie und Sprachen studiert (B.A.) und ist Lektorin der Memoiren Léon Poliakovs.
Veranstaltende:
Spiegelbild, Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen