– Bildgewalt und Antisemitismus als verbindendes Element von Massenprotesten
Die aktuellen Proteste der selbsternannten „Querdenker“ ließen sich in Anschluß an Walter Benjamin als eine Form der „Ästhetisierung des politischen Lebens“ beschreiben: „Der Faschismus“, so Benjamin, „sieht sein Heil darin, die Massen zu ihrem Ausdruck (bloß nicht zu ihrem Recht) kommen zu lassen.“ Anstelle einer berechtigten Kritik und Veränderung kapitalistischer und politischer Unzumutbarkeiten wird eine möglichst bildgewaltige Inszenierung der empörten Massen angestrebt. Dies zeigt der symbolische ‚Sturm‘ der ‚Corona-Rebellen‘ auf die Reichstagstreppen ebenso wie die Selbstinszenierung der neurechten „Identitären Bewegung“. Jedoch verhelfen die Proteste nicht bloß zielloser Empörung, sondern gerade auch tief verankerten Ressentiments wie Antisemitismus und Rassismus zum Ausdruck.
Doch nicht nur faschistische und rechte Strukturen bedienen sich der Ästhetisierung von Protest: Dies ist etwa auch die Haupt-Aktionsform von „Extinction Rebellion“ oder des „Zentrums für politische Schönheit“. Dabei spielt – quer durch die politische Landschaft der Massen – immer auch ein inszenierter Bezug auf die (nationalsozialistische oder germanische) Vergangenheit und eine (apokalyptische) Zukunft eine Rolle. Das „Zentrum für politische Schönheit“ etwa hatte Ende 2019 mit der Aktion „Sucht nach uns“ und der Instrumentalisierung von NS-Opfern kalkuliert für Aufruhr gesorgt; und antisemitische Bildsprache ist seit jeher auch Teil linker Protestkultur.
Vortrag und Diskussion wollen solch ästhetisierte Protestformen kritisch hinterfragen:
Gleicht sich (auch linker) politischer Protest heute insgesamt immer mehr diesem Format des Protests an? Was ist eigentlich so problematisch an einer „Ästhetisierung der Politik“ und dem zugrundeliegenden Schönheits- und Politikverständnis? Inwiefern liefert vielleicht gerade diese Form der Protests auch eine Annäherung verschiedener politischer Akteure auf inhaltlicher Ebene in Richtung einer antisemitisch fundierten „Querfront“?
Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Kunsthistoriker und Medientheoretiker, hat sich u.a. kritisch mit der „Wiederkehr der Schönheit“ beim Zentrum für politische Schönheit und bei der Identitären Bewegung auseinandergesetzt.
Weitere Informationen zur Teilnahme am Online-Format folgen.